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Wie Biotin Laborwerte verfälschen kann
Biotin – auch Vitamin B7 oder Vitamin H genannt – ist ein wasserlösliches Vitamin, das an vielen Stoffwechselprozessen beteiligt ist. Biotin ist Cofaktor von Enzymen, die für den Abbau und die Umwandlung von Nährstoffen in ATP zuständig sind. Zudem ist es an der Glukoseverwertung beteiligt und kann den Blutzuckerspiegel stabil halten. Und nicht zuletzt unterstützt es die Bildung von Keratin, einem zentralen Strukturprotein von Haaren, Haut und Nägeln.
Einige Medikamente beschleunigen den Biotinabbau oder hemmen biotinabhängige Enzyme, so dass eine begleitende Biotin-Zufuhr notwendig ist. Es gibt also verschiedene Gründe, warum Menschen zu Nahrungsergänzungsmitteln mit Biotin greifen.
Wenig bekannt ist jedoch, dass die Einnahme von Biotin eine Reihe von Laboruntersuchungen stören und dadurch zu Fehlinterpretationen führen kann. Dies ist schon seit einigen Jahren bekannt und dennoch wissen es wenige Menschen (inkl. Therapeuten).
Zahlreiche moderne Bluttests beruhen auf sogenannten Immunoassays. Diese Verfahren nutzen die starke Bindung zwischen Biotin und dem Protein Streptavidin, um Hormone oder andere Marker zuverlässig nachzuweisen. Wird jedoch viel Biotin eingenommen, gelangt ein Überschuss in die Blutbahn. Dieses „freie“ Biotin kann mit den Reagenzien konkurrieren, sodass Messgeräte falsche Werte anzeigen.
Dies kann in beide Richtungen wirken: Ergebnisse erscheinen künstlich erhöht oder zu niedrig. Besonders empfindlich reagieren die folgenden Parameter:
- Schilddrüsenwerte (TSH, fT4, fT3): Ein scheinbar erniedrigter TSH-Wert kann den Eindruck einer Schilddrüsenüberfunktion erwecken und dazu führen, dass ggf. Schilddrüsenmedikamente fälschlicherweise reduziert werden.
- Herzmarker (Troponin und NT-proBNP): Zu niedrige Werte können einen Herzinfarkt oder eine Herzmuskelentzündung verschleiern.
- Hormone wie Cortisol, Testosteron, Östradiol, DHEA, Progesteron und Pregnenolon: Auch hier kann die Interpretation verfälscht werden.
- Mikronährstoffmarker: Vitamin D3, Ferritin, Vitamin B12
- Tumormarker: z. B. PSA, CA-125, CA-15-3, CEA, AFP
Welche Menge an Biotin wird in diesem Zusammenhang als kritisch betrachtet? Da scheiden sich die wissenschaftlichen Geister noch. Einige Forscher sagen, bereits ab 2 mg könnten störende Effekte auftreten, andere sprechen von 5 mg und mehr.
Wer Biotin einnimmt, sollte daher folgende Hinweise beachten:
- Einnahmepause: Mindestens 72 Stunden (besser 3 - 7 Tage) vor der Blutabnahme keine Biotinpräparate einnehmen.
- Ärztin/Arzt und Labor informieren: Teilen Sie die Einnahme unbedingt mit, auch wenn es sich „nur“ um Multivitaminpräparate handelt.
- Produkte prüfen: Biotin steckt nicht nur in speziellen Haar- und Nagelkapseln, sondern auch in Kombivitaminen, eigentlich in allen Multivitaminpräparaten. Besonders Produkte aus den USA erhalten oft hohe Mengen an Biotin.
Um an dieser Stelle aber nicht missverstanden zu werden: Biotin ist für unsere Gesundheit und unseren Stoffwechsel immens wichtig und auch in hohen Mengen in der Regel völlig unbedenklich. Problematisch werden hochdosierte Nahrungsergänzungen nur deswegen, weil sie das feine Gleichgewicht moderner Labortests durcheinanderbringen können. Wer regelmäßig Biotinpräparate verwendet, schützt sich vor Fehlinterpretationen und unnötigen Behandlungen, indem er vor Blutuntersuchungen eine Einnahmepause einlegt und das medizinische Personal informiert.
Quellen:
Al-Bahadili H, Powers Carson J, Markov A, Jasim S. The Complex Web of Interferences With Thyroid Function Tests. Endocr Pract. 2025 Jan;31(1):92-101. doi: 10.1016/j.eprac.2024.10.007. Epub 2024 Oct 29. PMID: 39477092.
Bowen R, Benavides R, Colón-Franco JM, Katzman BM, Muthukumar A, Sadrzadeh H, Straseski J, Klause U, Tran N. Best practices in mitigating the risk of biotin interference with laboratory testing. Clin Biochem. 2019 Dec;74:1-11. doi: 10.1016/j.clinbiochem.2019.08.012. Epub 2019 Aug 29. PMID: 31473202.
Über die Autorin:
"Kyra Kauffmann, Jahrgang 1971, Mutter zweier kleiner Söhne, Volkswirtin, seit 20 Jahren niedergelassene Heilpraktikerin, Buchautorin, Dozentin, Journalistin und seit 3 Jahren begeisterte Medizinstudentin.
Zur Medizin kam ich durch meine eigene schwere Erkrankung mit Anfang 30, bei der mir seinerzeit kein Arzt wirklich helfen konnte. („Ihre Werte sind alle super – es ist alles rein psychisch!“). Hilfe bekam ich von Heilpraktikern, die zunächst einmal eine wirklich gründliche Labordiagnostik durchgeführt haben, ganz nach dem Vorbild von Dr. Ulrich Strunz. Es war eine neue Welt, die sich mir eröffnete und die Erkenntnisse, haben mich sofort fasziniert (ohnehin bin ich ein Zahlen-Daten-Fakten-Fan und habe nicht umsonst das Studium der VWL gewählt). Die Begeisterung war so groß, dass ich meinen alten Beruf an den Nagel hängte und Heilpraktikerin wurde. Meine Praxis führe ich seit 20 Jahren mit großer Begeisterung und bin – natürlich - auf Labordiagnostik spezialisiert und kann so oft vielen Symptomen auf den Grund gehen. In 2 Jahren hoffentlich dann auch als Ärztin.