In meiner letzten News habe ich bereits aufgezeigt, wie entscheidend Methylgruppen für unsere Gesundheit sind. Diese winzigen biochemischen Bausteine wirken wie molekulare Schalter, die zentrale Prozesse unseres Körpers beeinflussen:


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  • Entgiftung: In der Leber tragen Methylgruppen maßgeblich dazu bei, schädliche Stoffe – einschließlich des entzündungsfördernden Histamins – unschädlich zu machen.
  • Gensteuerung: Sie regulieren, welche Gene aktiv sind und welche stumm bleiben. Das betrifft unter anderem Gene, die für Immunabwehr, Zellteilung oder Stoffwechsel zuständig sind.
  • Alterung: Die sogenannte „epigenetische Uhr“ misst das biologische Alter anhand von Methylierungsmustern – ein spannender Ansatz der modernen Forschung (siehe meine News vom 1.3.2025).
  • Stimmung und Schlaf: Ohne Methylierung könnten wichtige Neurotransmitter wie Melatonin, Serotonin, Dopamin und Noradrenalin nicht gebildet werden. Diese beeinflussen nicht nur unsere Stimmung, sondern auch Wachheit und Schlafverhalten.

  • Wie beeinflussen wir unsere Methylgruppen?

    Unsere Fähigkeit zur Methylierung hängt stark von unserer Ernährung ab. Ein Mangel an L-Methionin, Folat, Vitamin B12 oder Cholin führt rasch zu einem Defizit an Methylgruppen. Wir sprechen in diesem Fall auch von einer Untermethylierung. Entscheidend ist hauptsächlich die ausreichende Verfügbarkeit von S-Adenosylmethionin (SAME) – einem körpereigenen Molekül, das als Hauptlieferant von Methylgruppen fungiert. Ohne ausreichend SAME kommt der gesamte Methylierungszyklus ins Stocken – mit weitreichenden Folgen für Stimmung, Nervensystem und Entgiftung.


    Wie lässt sich der SAME-Spiegel einschätzen?

    Eine direkte Messung von SAME ist bislang nur in spezialisierten Laboren möglich. Es gibt jedoch mehrere indirekte Marker, mit denen man Rückschlüsse auf den eigenen SAME-Status ziehen kann:


    1. Homocystein im Blut
      Werte über 10–12 µmol/l deuten häufig auf eine gestörte Methylierung und zu niedrige SAME-Werte hin, denn ein hoher Homocysteinwert zeigt an, dass es nicht ausreichend in L-Methionin recycelt wird.

    2. Histaminspiegel
      Ein erhöhter Methyl-Histaminwert kann auf unzureichende Methylierungskapazität hindeuten, denn ohne SAME wird Histamin in der Leber und im zentralen Nervensystem nicht ausreichend abgebaut.

    3. Methioninstatus
      Wenig Methionin bedeutet: weniger Ausgangsmaterial zur Bildung von SAME.

    4. Vitaminstatus (B6, B12, Folsäure)
      Diese Vitamine sind essenziell für die Bildung von SAME. Ein Mangel verringert dessen Verfügbarkeit – auch bei ausreichender Methioninzufuhr.

    Ein Mangel an SAME sollte immer behandelt werden, entweder durch die Gabe der entsprechenden Cofaktoren, wie L-Methionin, oder direkt durch SAME als Nahrungsergänzungsmittel. SAME wird – unabhängig von Messungen - mittlerweile auch medizinisch eingesetzt, vor allem bei:


    • Depressionen – insbesondere leichten bis mittleren Ausprägungen
    • Lebererkrankungen – etwa Fettleber oder Leberzirrhose
    • Arthrose – aufgrund entzündungshemmender Eigenschaften
    • Histaminerkrankungen – Abbau von Histamin im zentralen Nervensystem und in der Leber

    Laut einer Metaanalyse aus dem Jahr 2024 mit 2.234 Probanden zeigte SAME eine signifikante Verbesserung depressiver Symptome im Vergleich zu Placebo – bei gleichzeitig guter Verträglichkeit.

    Ich kann die positive Wirkung von SAME aus eigener praktischer Erfahrung bestätigen. Während einer Ausbildung in den USA habe ich es kennengelernt – dort ist es bei vielen Ärzten bereits fest etabliert und wird aufgrund seiner zuverlässigen und nebenwirkungsarmen Wirkung sehr geschätzt.

    Die Anwendung ist einfach. Die übliche Dosis liegt bei 200 mg bis 1200 mg pro Tag, verteilt auf mehrere Einzelgaben. Die Wirkung tritt im Allgemeinen nach ca. 2 - 3 Wochen ein. Ich empfehle die Einnahme nicht auf nüchternen Magen, da empfindliche Menschen mit Übelkeit reagieren können. Zur Anwendung in der Schwangerschaft und Stillzeit liegen bisher nicht genug Daten vor . Bei Einnahme von Psychopharmaka sollte immer Rücksprache mit dem Arzt genommen werden.

    SAME ist ein immens wichtiger, bislang komplett unterschätzter, molekularer Schlüsselfaktor speziell für unsere Stimmung und sollte gerade bei Depressionen und anderen psychiatrischen Erkrankungen viel häufiger in Erwägung gezogen werden.


    Quellen:

    Cuomo A, Beccarini Crescenzi B, Bolognesi S, Goracci A, Koukouna D, Rossi R, Fagiolini A. S-Adenosylmethionine (SAMe) in major depressive disorder (MDD): a clinician-oriented systematic review. Ann Gen Psychiatry. 2020 Sep 5;19:50. doi: 10.1186/s12991-020-00298-z. PMID: 32939220; PMCID: PMC7487540.

    Limveeraprajak N, Nakhawatchana S, Visukamol A, Siripakkaphant C, Suttajit S, Srisurapanont M. Efficacy and acceptability of S-adenosyl-L-methionine (SAMe) for depressed patients: A systematic review and meta- analysis. Prog Neuropsychopharmacol Biol Psychiatry. 2024 Jun 8;132:110985. doi: 10.1016/j.pnpbp.2024.110985. Epub 2024 Feb 27. PMID: 38423354.



    Über die Autorin:


    "Kyra Kauffmann, Jahrgang 1971, Mutter zweier kleiner Söhne, Volkswirtin, seit 20 Jahren niedergelassene Heilpraktikerin, Buchautorin, Dozentin, Journalistin und seit 3 Jahren begeisterte Medizinstudentin.

    Zur Medizin kam ich durch meine eigene schwere Erkrankung mit Anfang 30, bei der mir seinerzeit kein Arzt wirklich helfen konnte. („Ihre Werte sind alle super – es ist alles rein psychisch!“). Hilfe bekam ich von Heilpraktikern, die zunächst einmal eine wirklich gründliche Labordiagnostik durchgeführt haben, ganz nach dem Vorbild von Dr. Ulrich Strunz. Es war eine neue Welt, die sich mir eröffnete und die Erkenntnisse, haben mich sofort fasziniert (ohnehin bin ich ein Zahlen-Daten-Fakten-Fan und habe nicht umsonst das Studium der VWL gewählt). Die Begeisterung war so groß, dass ich meinen alten Beruf an den Nagel hängte und Heilpraktikerin wurde. Meine Praxis führe ich seit 20 Jahren mit großer Begeisterung und bin – natürlich - auf Labordiagnostik spezialisiert und kann so oft vielen Symptomen auf den Grund gehen. In 2 Jahren hoffentlich dann auch als Ärztin.