In meiner Praxis steht die Schilddrüse im Mittelpunkt. Dieses kleine Organ hat eine erstaunlich große Wirkung auf den gesamten Körper. Dennoch wird es in der klassischen Medizin oft nur oberflächlich betrachtet und selten wirklich gründlich untersucht. Dabei kann gerade die häufig diagnostizierte Schilddrüsenunterfunktion weitreichende Folgen haben – von chronischer Müdigkeit, Gewichtszunahme und Kälteempfindlichkeit bis zu Störungen von Fruchtbarkeit, des Fettstoffwechsels und des Immunsystems.

Weniger bekannt ist, dass eine träge Schilddrüse auch das Hormon Prolaktin beeinflussen kann – jenes Hormon, das in der Schwangerschaft und Stillzeit die Milchbildung anregt. Ein Ungleichgewicht kann daher auch zentrale hormonelle Abläufe stören.

Prolaktin wird in der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) gebildet. Seine Hauptaufgabe ist die Milchbildung nach der Geburt. Doch auch außerhalb von Schwangerschaft und Stillzeit erfüllt Prolaktin wichtige Funktionen – es beeinflusst die Fruchtbarkeit, das Immunsystem und sogar unsere Stressreaktionen. Wenn zu viel Prolaktin im Blut zirkuliert, spricht man von Hyperprolaktinämie.

Wenn die Schilddrüse zu wenig Hormone (T4 und T3) produziert, versucht der Körper gegenzusteuern. Das Gehirn, genauer gesagt die Hypophyse, schüttet vermehrt TSH (Thyreoidea-stimulierendes Hormon) aus, um die Schilddrüse anzuregen. Gleichzeitig steigt der Spiegel des übergeordneten Steuerhormons TRH durch den Hypothalamus. Und genau hier liegt die Verbindung: TRH regt nicht nur TSH, sondern auch die Produktion von Prolaktin an. Das bedeutet: Bei einer Schilddrüsenunterfunktion kann Prolaktin im Blut ansteigen – selbst, wenn keine Schwangerschaft vorliegt. Ein erhöhter Prolaktinspiegel kann sich unterschiedlich bemerkbar machen, zum Beispiel durch:


  • Zyklusstörungen oder ausbleibende Periode
  • Milchiger Ausfluss aus der Brust ohne Schwangerschaft oder Stillzeit
  • Schwierigkeiten, schwanger zu werden
  • Nachlassende Libido

Bei Hyperprolaktinämie wird im Hypothalamus vermehrt Dopamin freigesetzt, was als negative Rückkopplung die Prolaktinausschüttung hemmt. Gleichzeitig hemmt das hohe Prolaktin selbst – unter anderem über eine Verminderung des Steuerungshormons Kisspeptin – die Freisetzung von Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH). Dadurch sinken die Spiegel von FSH und LH, die normalerweise den Eisprung auslösen. Deshalb ist während der Stillzeit, in der viel Prolaktin gebildet wird, eine Schwangerschaft oft erschwert.

Die oben genannten Beschwerden, die ein erhöhter Prolaktinspiegel verursachen kann, können natürlich auch andere Ursachen haben. Umso wichtiger ist es, immer den gesamten Hormonhaushalt im Blick zu haben.

Bei Verdacht auf eine Schilddrüsenunterfunktion messe ich folgende Werte im Blut: TSH, freie Schilddrüsenhormone (fT4, fT3), das reverse T3 (rT3) und auch das Prolaktin.
Typisch für diese Kombination ist ein (manchmal nur grenzwertig) erhöhtes TSH, ein (relativ) zu niedriges fT4 und ein erhöhter Prolaktinspiegel.

Die gute Nachricht: Wenn die Schilddrüsenunterfunktion behandelt wird, zum Beispiel mit den richtigen Mikronährstoffen, als der Aminosäure L-Tyrosin, Jod und Selen, und in schwierigen Fällen auch mit dem Schilddrüsenhormon Levothyroxin, normalisieren sich häufig auch die Prolaktinwerte ganz von allein. Nur selten ist eine zusätzliche Therapie nötig.

Der enge Zusammenhang von Schilddrüse und Prolaktin zeigt, wie fein aufeinander abgestimmt unser Hormonsystem arbeitet. Wer unter Zyklusproblemen, unerfülltem Kinderwunsch oder milchigem Brustausfluss leidet, sollte nicht nur an die Geschlechtshormone denken, sondern vor allem die Schilddrüse gründlich (nicht nur TSH!) untersuchen lassen.


Quellen:
Khan AA, Sharma R, Ata F, Khalil SK, Aldien AS, Hasnain M, Sadiq A, Bilal ABI, Mirza W. Systematic review of the association between thyroid disorders and hyperprolactinemia. Thyroid Res. 2025 Jan 3;18(1):1. doi: 10.1186/s13044-024-00214-7. PMID: 39754184; PMCID: PMC11697664.

Olive KE, Hennessey JV. Marked hyperprolactinemia in subclinical hypothyroidism. Arch Intern Med. 1988 Oct;148(10):2278-9. PMID: 3178385.



Über die Autorin:


"Kyra Kauffmann, Jahrgang 1971, Mutter zweier kleiner Söhne, Volkswirtin, seit 20 Jahren niedergelassene Heilpraktikerin, Buchautorin, Dozentin, Journalistin und seit 3 Jahren begeisterte Medizinstudentin.

Zur Medizin kam ich durch meine eigene schwere Erkrankung mit Anfang 30, bei der mir seinerzeit kein Arzt wirklich helfen konnte. („Ihre Werte sind alle super – es ist alles rein psychisch!“). Hilfe bekam ich von Heilpraktikern, die zunächst einmal eine wirklich gründliche Labordiagnostik durchgeführt haben, ganz nach dem Vorbild von Dr. Ulrich Strunz. Es war eine neue Welt, die sich mir eröffnete und die Erkenntnisse, haben mich sofort fasziniert (ohnehin bin ich ein Zahlen-Daten-Fakten-Fan und habe nicht umsonst das Studium der VWL gewählt). Die Begeisterung war so groß, dass ich meinen alten Beruf an den Nagel hängte und Heilpraktikerin wurde. Meine Praxis führe ich seit 20 Jahren mit großer Begeisterung und bin – natürlich - auf Labordiagnostik spezialisiert und kann so oft vielen Symptomen auf den Grund gehen. In 2 Jahren hoffentlich dann auch als Ärztin.


Das Bild zeigt ein Porträt der News-Autorin Kyra Kauffmann.