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Gallensäuren und Gehirn - eine überraschende Verbindung
Wenn wir an Alzheimer oder Demenz denken, denken wir in erster Linie an das Gehirn. An Vergesslichkeit, Orientierungslosigkeit, Persönlichkeitsveränderungen. Was wir meist nicht auf dem Schirm haben: Auch der Darm und seine chemischen Helfer – allen voran die Gallensäuren – könnten eine Rolle bei der Entstehung und dem Fortschreiten neurodegenerativer Erkrankungen spielen. Gallensäuren – die Stoffe, die eigentlich bei der Fettverdauung mitmischen und die dem Stuhl seine charakteristische Farbe verleihen, können noch viel mehr als nur Fette zu emulgieren.
In der Leber beginnt alles: Hier werden aus Cholesterin die sogenannten primären Gallensäuren hergestellt. Sie sind echte Alleskönner, wenn es um die Verdauung von Fetten geht. Zwei von ihnen sind besonders wichtig:
- Cholsäure (CA)
- Chenodesoxycholsäure (CDCA)
Damit diese Säuren nicht zu „scharf“ für den Körper sind, verbindet sie die Leber vornehmlich mit den Aminosäuren Glycin oder Taurin. In dieser gepufferten Form – als sogenannte Gallensalze – werden sie in die Galle ausgeschleust und warten dort auf ihren großen Auftritt im Darm.
Dort angekommen, helfen sie mit, Fette in Tröpfchen zu zerlegen – ein entscheidender Schritt, damit die Fettverdauung überhaupt funktioniert.
Soweit die Informationen gemäß Lehrbuch. Was Sie sicherlich noch nie gelesen haben, ist das Folgende: Im Dickdarm wird es richtig interessant. Denn dort nehmen Bakterien das Zepter in die Hand. Sie entfernen erst die angehängten Aminosäuren und bauen die primären Gallensäuren dann gezielt um. So entstehen die sekundären Gallensäuren, darunter:
- Desoxycholsäure (DCA) – abgeleitet von der Cholsäure
- Lithocholsäure (LCA) – abgeleitet von der Chenodesoxycholsäure
Diese umgewandelten Gallensäuren sind keineswegs Abfallprodukte. Ein Teil von ihnen wird wieder zurück in die Leber geschleust und weiterverwendet – ein Beispiel für das perfekte Recycling im menschlichen Körper, bekannt als enterohepatischer Kreislauf. Ein Teil gelangt auch über den Blutkreislauf in das Gehirn, denn Gallensäuren können die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Sie können sogar an Rezeptoren im Gehirn andocken und Entzündungsprozesse, den Hormonhaushalt und die Neurotransmitter beeinflussen. Bestimmte Gallensäuren wirken entzündungshemmend – andere eher fördernd. Ein Ungleichgewicht könnte die Entzündungsbereitschaft im Gehirn beeinflussen.
Studien zeigen: Bei Menschen mit Alzheimer ist das Verhältnis der verschiedenen Gallensäuren im Blut verändert. Insbesondere die Balance zwischen sogenannten primären (von der Leber gebildeten) und sekundären (von Darmbakterien umgewandelten) Gallensäuren scheint aus dem Gleichgewicht geraten zu sein.
Spezifische Veränderungen im Gallensäurehaushalt werden mit Depressionen, Parkinson und anderen neurodegenerativen Erkrankungen in Verbindung gebracht.
Die Zusammensetzung der verschiedenen Gallensäuren und auch die Menge an potenziell neurotoxischen, weil entzündungsfördernden, Gallensäuren lassen sich mittlerweile mittels einer einfachen Blutprobe messen. Diese Untersuchung sollte genauso selbstverständlich durchgeführt werden wie die Cholesterinbestimmung. Denn ein Überhang von neurotoxischen Gallensäuren im Blut kann langfristig massive Veränderungen im Gehirn nach sich ziehen. Bevor es aber so weit kommt, lässt sich das Schicksal hingegen abwenden. Denn der Schlüssel zu einer gesunden Zusammensetzung der verschiedenen Gallensäuren ist eine gesunde Darmflora, ein gesundes Mikrobiom. Es zeigt sich mal wieder: Gesundheit beginnt auch im Darm.
Der faszinierende Gallensäurestoffwechsel lehrt uns: Die Darm-Hirn-Verbindung (auch Mikrobiota-Gut-Brain-Axis genannt) umfasst nicht nur Nervenverbindungen (wie den Vagusnerv) und Immunfaktoren, sondern auch metabolische Botenstoffe, wie die Gallensäuren.
Quellen:
A. Wahlström, S. I. Sayin, H-U. Marschall, F. Bäckhed. Intestinal Crosstalk between Bile Acids and Microbiota and Its Impact on Host Metabolism. Cell Metabolism. 2016, 24(1):41-50.
S. I. Sayin, A. Wahlström, J. Felin, S. Jäntti, H-U. Marschall, K.Bamberg, B. Angelin, T. Hyötyläinen, M. Oresic, F. Bäckhed. Gut microbiota regulates bile acid metabolism by reducing the levels of tauro-beta-muricholic acid, a naturally occurring FXR antagonist. Cell Metabolism. 2013, 17, 225–235.
S. MahmoudianDehkordi, M. Arnold, K. Nho. Altered bile acid profile associates with cognitive impairment in Alzheimer’s disease-An emerging role for gut microbiome. Alzheimers Dement. 2019, 15(1):76- 92. doi: 10.1016/j.jalz.2018.07.217.
C. Staley, A. R. Weingarden, A. Khoruts, M. J. Sadowsky. Interaction of Gut Microbiota with Bile Acid Metabolism and its Influence on Disease States. Appl Microbiol Biotechnol . 2017, 101(1): 47–64. doi:10.1007/ s00253-016-8006-6
Über die Autorin:
"Kyra Kauffmann, Jahrgang 1971, Mutter zweier kleiner Söhne, Volkswirtin, seit 20 Jahren niedergelassene Heilpraktikerin, Buchautorin, Dozentin, Journalistin und seit 3 Jahren begeisterte Medizinstudentin.
Zur Medizin kam ich durch meine eigene schwere Erkrankung mit Anfang 30, bei der mir seinerzeit kein Arzt wirklich helfen konnte. („Ihre Werte sind alle super – es ist alles rein psychisch!“). Hilfe bekam ich von Heilpraktikern, die zunächst einmal eine wirklich gründliche Labordiagnostik durchgeführt haben, ganz nach dem Vorbild von Dr. Ulrich Strunz. Es war eine neue Welt, die sich mir eröffnete und die Erkenntnisse, haben mich sofort fasziniert (ohnehin bin ich ein Zahlen-Daten-Fakten-Fan und habe nicht umsonst das Studium der VWL gewählt). Die Begeisterung war so groß, dass ich meinen alten Beruf an den Nagel hängte und Heilpraktikerin wurde. Meine Praxis führe ich seit 20 Jahren mit großer Begeisterung und bin – natürlich - auf Labordiagnostik spezialisiert und kann so oft vielen Symptomen auf den Grund gehen. In 2 Jahren hoffentlich dann auch als Ärztin.