Immer wieder erreichen mich Anfragen aus der Leserschaft zu der sogenannten Lugolschen Lösung. Daher möchte ich die Gelegenheit nutzen, etwas ausführlicher auf dieses Thema einzugehen und zu erläutern, worum es sich bei dieser Lösung handelt.

Jean Guillaume Auguste Lugol war ein französischer Arzt und Forscher, der im 19. Jahrhundert lebte. Bekannt wurde er hauptsächlich durch die Entwicklung einer Jod-Kaliumiodid-Lösung, die später als Lugolsche Lösung bezeichnet wurde. Sein Ziel war es, eine effektive Behandlung für tuberkulöse Erkrankungen zu finden, was ihm in der Praxis jedoch nicht gelang. Dennoch erwies sich seine Jodlösung als medizinisch bedeutsam, und sie wird bis heute in verschiedenen medizinischen Bereichen angewendet.

Jod ist in Wasser nur sehr schlecht löslich und Lugol schaffte es im Jahr 1829 eine Lösung zu entwickeln, in der elementares Jod durch Kaliumiodid wasserlöslich gemacht wurde. Lugols Lösung war das erste klassische Jodmedikament in einer zuverlässigen, dosierbaren Form. Sie wurde im 19. und 20. Jahrhundert gegen zahlreiche Krankheiten genutzt, vor allem für Infektionen. Später fand man heraus, dass Lugols Lösung die Schilddrüse „blockieren“ kann – nützlich z. B. vor Operationen bei Morbus Basedow.

Jod wirkt zudem stark antiseptisch. Deshalb wurde die Lösung früher auch zur Desinfektion von Wunden oder als Mundspülung bei bakteriellen Infektionen eingesetzt. Heute nutzt man allerdings eher eine Povidone-Jodlösung (z. B. Betaisodona ®). Diese ist ein Jodpräparat, bei dem das elementare Jod an ein wasserlösliches Polymer namens Polyvinylpyrrolidon (PVP) gebunden ist. Es gibt das Jod langsam und kontrolliert frei und wird vor allem zur äußerlichen Anwendung (z. B. Wunddesinfektion) eingesetzt.

Die Lugolsche Lösung enthält freies molekulares (elementares) Jod in relativ hoher Konzentration, was – anders als PVP-Jod - brennen, färben oder sogar ätzend wirken kann – besonders auf empfindlicher Haut oder Schleimhäuten.

Die Lugolsche Lösung besteht typischerweise aus:


  • Jod (I₂): elementares Jod
  • Kaliumiodid (KI): dient der besseren Löslichkeit von Jod in Wasser
  • Destilliertes Wasser

Eine klassische Zusammensetzung wäre etwa: 5 % Jod, 10 % Kaliumiodid in Wasser. Es handelt sich also um eine stark jodhaltige Lösung, die sowohl intern (z. B. zur Jodsupplementierung) als auch extern (z. B. zur Desinfektion) verwendet wurde und wird. Bei einer 5% Lösung enthält ein Tropfen etwa 6,25 mg Jod.

Zum Vergleich:
Eine herkömmliche Jodtablette enthält 150 bis 200 mcg Jod (meist in Form von Kaliumjodid).
In der Pharmazie entspricht ein Tropfen klassischerweise einem Volumen von etwa 0,05 ml, also 20 Tropfen pro Milliliter. Diese Definition stammt jedoch aus idealisierten Laborbedingungen mit standardisierten Tropfapparaturen.
In der Praxis – besonders bei Hausanwendung aus Glas- oder Kunststofffläschchen – kann das tatsächliche Tropfvolumen stark schwanken:


  • Je nach Viskosität der Flüssigkeit
  • Öffnung der Tropfvorrichtung
  • Ausgießwinkel
  • Umgebungstemperatur

Bei dickflüssigen oder hochkonzentrierten Lösungen wie der Lugolschen Lösung kommt es daher häufig vor, dass ein Tropfen deutlich größer ausfällt, teilweise bis zu 0,07–0,1 ml – das ist doppelt so viel wie vorgesehen. Von daher kann es leicht zu einer unbeabsichtigten Überdosierung von Jod kommen, was ich in der Praxis nicht selten sehe und messe.

Aus meiner langjährigen Erfahrung in der Joddiagnostik und -therapie weiß ich, dass der unsachgemäße Umgang mit diesen hochkonzentrierten Jodlösungen gravierende Nebenwirkungen verursachen kann. Insbesondere die plötzliche Zufuhr hoher Joddosen stellt für viele Schilddrüsen – insbesondere solche, die über Jahre in einem Zustand des Jodmangels waren – eine erhebliche Belastung dar und kann zu unerwarteten Reaktionen führen.

In der Medizin wurde die Lösung zur Vorbereitung von Operationen an der Schilddrüse (z. B. bei Morbus Basedow) verwendet, um die Jodaufnahme der Schilddrüse zu blockieren. Daher ist schon lange bekannt, dass extrem hohe Joddosen die Schilddrüse sowohl in eine Unterfunktion als auch in eine Überfunktion treiben können. Leider habe ich auch in der Praxis mehrfach TSH-Werte von über 100 mIU/l gesehen, ausgelöst durch plötzliche, viel zu hohe Jodgaben.

Eine zu hohe Jodaufnahme kann darüber hinaus weitere Nebenwirkungen hervorrufen, wie z. B.


  • Kopfschmerzen
  • Hautausschläge
  • Übelkeit
  • Herzrasen

Gerade bei Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse wie Hashimoto-Thyreoiditis kann die Einnahme zu einer akuten Verschlechterung führen.

Da die Lösung rezeptfrei erhältlich ist, wird sie oft ohne ausreichendes Wissen verwendet – was gesundheitliche Schäden verursachen kann.

Mir ist es ein Anliegen, keine Ängste zu schüren, sondern vielmehr zur achtsamen Anwendung zu ermutigen – insbesondere nach einer längeren Phase ohne Jod sollte eine Wiedereinführung behutsam und in niedriger Dosierung erfolgen, etwa in Form einer genau abgestimmten Jodtablette.


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Quellen:
Ernst, E. (2002): "Historical Perspective on the Use of Iodine in Medicine"
Journal of the Royal Society of Medicine, 95(3), 161

https://www.who.int/nutrition/publications/micronutrients/global_prevalence_iodine_deficiency.pdf



Über die Autorin:


"Kyra Kauffmann, Jahrgang 1971, Mutter zweier kleiner Söhne, Volkswirtin, seit 20 Jahren niedergelassene Heilpraktikerin, Buchautorin, Dozentin, Journalistin und seit 3 Jahren begeisterte Medizinstudentin.

Zur Medizin kam ich durch meine eigene schwere Erkrankung mit Anfang 30, bei der mir seinerzeit kein Arzt wirklich helfen konnte. („Ihre Werte sind alle super – es ist alles rein psychisch!“). Hilfe bekam ich von Heilpraktikern, die zunächst einmal eine wirklich gründliche Labordiagnostik durchgeführt haben, ganz nach dem Vorbild von Dr. Ulrich Strunz. Es war eine neue Welt, die sich mir eröffnete und die Erkenntnisse, haben mich sofort fasziniert (ohnehin bin ich ein Zahlen-Daten-Fakten-Fan und habe nicht umsonst das Studium der VWL gewählt). Die Begeisterung war so groß, dass ich meinen alten Beruf an den Nagel hängte und Heilpraktikerin wurde. Meine Praxis führe ich seit 20 Jahren mit großer Begeisterung und bin – natürlich - auf Labordiagnostik spezialisiert und kann so oft vielen Symptomen auf den Grund gehen. In 2 Jahren hoffentlich dann auch als Ärztin.