Dr. Ulrich Strunz: Internist, Spitzensportler und Bestsellerautor. Als Orthomolekularmediziner führt er Vitalstoffanalysen durch – indem er den Gehalt von Vitaminen, Spurenelementen und Mineralstoffen im Blut seiner Patienten ermittelt.

alverde: Sie sprechen als Orthomolekularmediziner von so genannten Froh- und Drohwerten. Was muss man sich darunter vorstellen?

Dr. Ulrich Strunz: Im Zuge einer Untersuchung bestimmt der Arzt die Werte, die die Lebensqualität beeinträchtigen. Dazu zählen der Harnsäure- und der Leberwert genauso wie der Cholesterin- und Zucker-Spiegel. Das versteht man unter Drohwerten. Als Frohwerte bezeichnet man beispielsweise einen ausgeglichenen Hormonhaushalt oder eine optimale Versorgung durch Mineralstoffe. Das sind die Werte, die ein Leuchten in den Augen des Patienten erzeugen, wenn sie im Lot sind. Er wird dann automatisch diese Werte im Auge behalten und von sich aus die Drohwerte beseitigen.

alverde: Ernährungswissenschaftler empfehlen, fünf Portionen Obst oder Gemüse pro Tag zu verzehren. Weshalb ist diese Vielzahl von Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen aus Ihrer Sicht nicht ausreichend?

Dr. Ulrich Strunz: Zum einen messe ich ja den Vitalstoffgehalt im Blut und sehe, wie es um die tatsächliche Versorgung bestellt ist – nämlich traurig. Zum anderen muss man verdeutlichen, dass es sich bei dieser Empfehlung, was die Praxis anbelangt, um Wunschdenken handelt. Ich kenne die neuesten Studien, die besagen, dass sich nur vier Prozent so ernähren, wie es Ernährungswissenschaftler fordern. Dagegen greifen viele Leute von sich aus zu Vitamin-Präparaten. Das ist zwar ein bescheidener Kompromiss, aber immer noch besser, als den Körper mit Vitalstoffen nicht ausreichend zu versorgen oder ein erstrebenswertes Anliegen mit der Wirklichkeit zu verwechseln.

alverde: Bei einer Routine-Untersuchung der Blutwerte führt der Arzt keine engmaschigen Kontrollen des Blutbildes durch. Etwa: Ist der Patient ausreichend mit B-Vitaminen versorgt, wenn er sich abgespannt fühlt?

Dr. Ulrich Strunz: Zu allererst sollten wir froh sein, dass wir überhaupt ein Gesundheitssystem haben, das es uns ermöglicht, die wichtigsten Werte zu bestimmen. Wer mehr will, soll das bitte auch aus eigener Tasche bezahlen. Ich möchte das an einem einfachen Beispiel verdeutlichen: Eine Vielzahl von Leuten will keinen Klein- sondern einen Mittelklassewagen fahren. Hier ist man selbstverständlich bereit, für ein Plus an Komfort auch tiefer in die Tasche zu greifen. Wenn es aber um Investitionen in die eigene Gesundheit geht, dann wird gezaudert oder gesagt: Dafür habe ich kein Geld übrig. Wir halten da an einer merkwürdigen Einstellung fest. Aber zurück zur Frage: Wer jeden Morgen fröhlich aus dem Bett hüpft, wer nicht dreimal im Jahr krank ist, der kann auf ausführliche Analysen verzichten. Derjenige, der ständig müde, häufig erkältet und übergewichtig ist, profitiert von engmaschigen Blutkontrollen.

alverde: Welchem Personenkreis würden Sie darüber hinaus zu einer Vitalstoff-Analyse raten?

Dr. Ulrich Strunz: Ganz klar: Immer den Unzufriedenen. Wenn Menschen sagen: Ich bin häufig müde, leistungsschwach und fühle mich insgesamt ziemlich unwohl.

alverde: Ein Leistungssportler benötigt mehr Eiweiß als jemand, der von Berufs wegen eine sitzende Tätigkeit ausübt. Stimmt diese auf den ersten Blick plausible Einschätzung noch?

Dr. Ulrich Strunz: Wir unterschätzen die Belastung unserer beruflichen Tätigkeit, die durchaus mit der Situation eines Hochleistungssportlers vergleichbar sein kann. Wenn ich Messungen durchführe, stelle ich immer wieder fest: Der Eiweiß-Spiegel im Blut bewegt sich bei vielen Menschen im unteren Drittel. Das heißt: Wir sind in der Regel unterversorgt – nicht nur was Proteine anbelangt.

alverde: Nun kann beispielsweise Magnesium schon bei geringer Überdosierung zu Durchfällen führen.

Dr. Ulrich Strunz: Der Körper reagiert hier auf ganz natürliche Weise und scheidet wieder aus, was er nicht benötigt. Ein wichtiger Tipp: Wer Magnesium, selbst in größeren Mengen, kurz vor dem Schlafengehen einnimmt, hat garantiert keinen Durchfall.

alverde: Um ein weiteres Fachgebiet Ihrerseits anzusprechen: Welche gesundheitlichen Vorteile bietet – auf einen Nenner gebracht – das regelmäßige Laufen?

Dr. Ulrich Strunz: Laufen macht glücklich, es ist eines der natürlichsten und wirksamsten Antidepressiva, die wir heute kennen. Und: Alle Zivilisationskrankheiten, die wir beklagen, zum Beispiel Herzinfarkt, Schlaganfall, Diabetes und Demenz, würden kaum auftreten, wenn wir alle täglich laufen. Man ist sich in der heutigen Medizin einig, dass durchs Laufen praktisch jede dieser Krankheiten zweckmäßig behandelt oder beseitigt werden könnte.

alverde: Bei Minusgraden ist der Körper damit beschäftigt, die Thermoregulierung zu bewerkstelligen – auch bei angemessener Läuferbekleidung. Warum sollte man trotzdem laufen?

Dr. Ulrich Strunz: Weil man jeden Tag glücklich und entspannt sein möchte – und weil man auch eine soziale Verantwortung gegenüber seinen Mitmenschen hat: Ich möchte meiner Familie, meinen Patienten und meinen Mitmenschen lächelnd und zufrieden gegenübertreten. Das würde nicht funktionieren, wenn ich, sobald es etwas kälter wird, mit dem Laufen aufhören würde. Es ist erwiesen, dass man – richtig bekleidet – bis zu einer Temperatur von Minus 20 Grad langsam laufen kann. Betrachten wir noch mal den sozialen Aspekt der Ausgeglichenheit: Ich denke, dass auch Politiker anders miteinander umgingen, als es im Moment der Fall ist – vorausgesetzt sie laufen regelmäßig.

alverde: Einige Sportmediziner betonen immer wieder, dass Laufen langfristig zu Gelenkschäden führe – trotz fersendämpfender Schuhe.

Dr. Ulrich Strunz: Laufen wird mit Aufdonnern auf dem Boden gleichgesetzt. Wen wundert es, dass die Kniegelenke dabei Schaden nehmen und jeder Hobby-Jogger früher oder später beim Orthopäden anzutreffen ist. Das Komische ist allerdings, dass ich noch nie einem Reh beim Orthopäden begegnet bin. Aus einem einfachen Grund: Rehe laufen mit Hilfe ihrer Muskulatur, nicht kraft ihrer Kniegelenke. Vorfußfedern nennt sich – auf den Menschen übertragen – diese Technik, die sich an einem Beispiel verdeutlichen lässt: Wer barfuß durch seine Wohnung läuft, bewegt sich ganz automatisch auf den Zehen. Genau diese Technik entspricht dem natürlichen Lauf – wie ihn die Natur für uns Menschen vorgesehen hat. Auf diese Weise ruht nur die einfache Belastung des Körpergewichts auf unseren Gelenken. Grundsätzlich ist zu sagen: Sportmediziner und Orthopäden haben mit ihrer Gelenkschaden-These insofern recht, dass sie die Folgen des falschen Laufens täglich sehen.

alverde: Kann regelmäßige sportliche Betätigung im Allgemeinen und das Laufen im Besonderen die Lebensqualität im Alter erhöhen?

Dr. Ulrich Strunz: Mit Sicherheit. Selbst als Späteinsteiger kann man nur profitieren. Die schnellste Methode, sein Leben in Richtung Glück zu verändern, ist Bewegung. Viele Leute haben das vergessen, weil uns Bewegung immer als Sport verkauft wurde. Und Sport wird gedanklich immer mit Anstrengung und auch Verbissenheit verknüpft. Aus diesem Grund bin ich an die Öffentlichkeit gegangen, um zu sagen: Richtige Bewegung funktioniert anders. Nämlich leicht, locker und gelassen.