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Mein täglich Selen gibt mir heute
Es ist doch gar verwunderlich. Seit Jahren wird Selen nur verschwommen als „Das ist doch was zum Entgiften“ wahrgenommen, vielleicht auch noch als „Es ist gut für die Schilddrüse“. Dass das essentielle Spurenelement aber eine viel größere Bedeutung für die Gesundheit hat, findet erst jetzt in größerem Stil die Aufmerksamkeit der Forscher.
Was macht dieses Mineral so bemerkenswert? Unter anderem, dass es von Herz bis Hirn und vom Hormon- bis Immunsystem eine fundamentale Rolle spielt. Im Körper ist es in Form von Selenoproteinen unterwegs. So bezeichnet man alle Proteine, welche die proteinogene Aminosäure Selenocystein enthalten. Die bekanntesten Selen-abhängigen Enzyme sind Glutathionperoxidasen (Reparaturhelfer für das Antioxidans Glutathion) und die Jodothyronindejodasen (regulieren die Aktivität von Schilddrüsenhormonen). Letztere sind für die Umwandlung des weniger aktiven Schilddrüsenhormons Thyroxin (T4) in das stoffwechselaktive Trijodthyronin (T3) verantwortlich.
Die Folgen eines Selen-Mangels fassen Studienautoren so zusammen: Selenmangel macht anfällig für chronische Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Leiden, Diabetes, Krebs, Entzündungen (z.B. Rheumatoide Arthritis), verminderte Fruchtbarkeit und (Virus-)Infektionen. Auch überschießende modulieren kann.
Erkenntnisse aus Studien zum Thema:
- Nach 17,5 Jahren Follow-up der deutschen Kohorten-Studie ESTHER mit 7.000 Probanden (50 bis 74 Jahre) stellte die Arbeitsgruppe um Ben Schöttker vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg fest: Mit niedrigem Selen-Spiegel stieg das Sterblichkeitsrisiko, z.B. infolge von Herz-Kreislauf-Leiden, Atemwegs- oderMagen-Darm-Erkrankungen und Krebs. Das Risiko für Männer war doppelt so hoch wie für Frauen. Die Arbeit ist im European Journal of Epidemiology publiziert.
- Italienische Forscher der Universitäten Bologna und Messina untersuchten in einem Review die Rolle von Chrom und Selen bei psychiatrischen Erkrankungen, da Selen eine wichtige Rolle im antioxidativen System des Gehirns spielt und womögli der Studienanalyse: Selen kann eine positive Wirkung bei Angststörungen und Depressionen haben, auch z.B. bei der bekannten Wochenbett-Depression.
- Altern: (Zu) niedrige Selen-Spiegel gehen mit einer beschleunigten Alterung einher, wie epigenetische Messungen zeigten – Erkenntnisse aus der Beobachtungsstudie „Berlin Aging Study II mit 1568 Teilnehmern im Alter von 60 bis 85 Jahren, kürzlich publiziert im Journal „Clinical Epigenetics“.
Fleisch, Fisch und Ei enthalten reichlich Selen in gebundener Form als gut verwertbares Selenocystein; der Selengehalt hängt vom Tierfutter ab. In Pilzen und Pflanzen kommt Selen als Selenmethionin vor. Eine echte „Selenbombe“ ist die Kokosnuss. Aber: Ihr Fleisch kann bis zu 810 Mikrogramm Selenomethionin pro 100 Gramm enthalten – was problematisch werden kann. Ähnliches gilt für selenreiche Paranüsse.
Schätzungen zufolge nehmen 70 Prozent der Deutschen zu wenig Selen zu sich – wie viele dadurch einen Mangel ausbilden, ist unbekannt. Mein Senf dazu: Das Spurenelement ist viel zu wichtig für die Gesundheit, um es zu ignorieren – im Zweifel, speziell bei gehäuften Infekten, die Werte testen lassen und supplementieren!
Quellen:
Schöttker, B., Holleczek, B., Hybsier, S. et al. Strong associations of serum selenoprotein P with all-cause mortality and mortality due to cancer, cardiovascular, respiratory and gastrointestinal diseases in older German adults. Eur J Epidemiol 39, 121–136 (2024). https://doi.org/10.1007/s10654-023-01091-4
Di Lisi A, Dalla Valle A, Menchetti M, Crisafulli C, Fabbri C. The Potential Benefits of Chromium and Selenium Supplementation Across Psychiatric Disorders and Symptoms. J Clin Psychopharmacol. 2025 Jul-Aug 01;45(4):376-387. doi: 10.1097/JCP.0000000000002014. Epub 2025 May 12. PMID: 40345207; PMCID: PMC12184972.
Rayman MP. Selenium and human health. Lancet. 2012 Mar 31;379(9822):1256-68. doi: 10.1016/S0140-6736(11)61452-9. Epub 2012 Feb 29. PMID: 22381456
Hu W, Zhao C, Hu H, Yin S. Food Sources of Selenium and Its Relationship with Chronic Diseases. Nutrients. 2021 May 20;13(5):1739. doi: 10.3390/nu13051739. PMID: 34065478; PMCID: PMC8160805.
Vetter VM, Demircan K, Homann J, Chillon TS, Mülleder M, Shomroni O, Steinhagen-Thiessen E, Ralser M, Lill CM, Bertram L, Schomburg L, Demuth I. Low blood levels of selenium, selenoprotein P and GPx3 are associated with accelerated biological aging: results from the Berlin Aging Study II (BASE-II). Clin Epigenetics. 2025 Apr 25;17(1):62. doi: 10.1186/s13148-025-01863-7. PMID: 40275394; PMCID: PMC12023433.
Über die Autorin:
Marion Meiners ist ausgebildete Verlagskauffrau und Journalistin und arbeitete viele Jahre für Zeitschriften als Redakteurin für Gesundheit und Ernährung. Zusammen mit Labor-Professor Hans-Peter Seelig schrieb sie das Buch „Laborwerte klar und verständlich“.
Ihre Begeisterung für Medizinthemen entdeckte sie in frühen Berufsjahren, nachdem ihr eine Verwandte einen Pschyrembel schenkte. Seither heißt ihr digitales „Wohnzimmer“ PubMed und die Faszination für die Ursachen-Fahndung bei Krankheiten sowie die Effekte von Ernährung und Lebensstil auf die Gesundheit hält an.
Das sagt sie über ihre Tätigkeit:
„Alles hängt mit allem zusammen im Körper. Das ist leider in unserer „Schubladen“-Medizin noch nicht so ganz angekommen. Ein Nährstoffmangel kann etwa ebenso fatale Auswirkung auf alle Organsysteme haben wie z.B. ein kranker Zahn. Umgekehrt kann schon eine veränderte Zusammenstellung der Makro-oder Mikronährstoffe in der Ernährung gigantische therapeutische Effekte entfalten. Welche, und wie gut belegt diese sind – darüber möchte ich informieren.“
