Eine neue alte Erkenntnis erobert die Forschung: Stille chronische Entzündungen lassen uns schneller altern! Alter Hut? Für manche vielleicht, für andere ist es wohl eher Neuland… „Inflammaging“ nennt sich der neueTrend– eine Kombination aus „Inflammation“ (Entzündung) und „Aging“ (Altern).

Was ist neu? Theoretisch: Wenig. Praktisch: Alles. Denn im Gegensatz zur derzeitigen Schubladen-Medizin, die meist nur auf Störungen in jeweils nur einem Organsystem schaut, prüfen die Forscher jetzt viele Organsysteme und Krankmacher-Faktoren. Sie ergründen, wie und warum „stille“ Entzündungen das Altern beschleunigen – und was dagegen hilft. Sie prüfen, welchen Einfluss z.B. das Darm-Mikrobiom, schlappe Fresszellen des Immunsystems, Stress oder die Ernährung haben. Und tatsächlich sind sich die Experten mal einig: Alt werden heißt nicht zwingend, auch krank zu sein!

„Viele Stressoren von Chemikalien über ,Zellmüll’ bis hin zur Konfrontation mit Antigenen führen zur erhöhten und anhaltenden Aktivierung einer Immunantwort“, schreibt etwa ein Forscherteam um den (emeritierten) italienischen Immunologen Claudio Franceschi im Fachjournal „Clinical Reviews in Immunology and Allergology“.

„Säugetiere und Menschen haben wirksame und vielfältige Mittel entwickelt, um diesen Stress zu bekämpfen.Das gesamte Immunsystem könnte als Anti-Stress-System betrachtet werden, und die Makrophagen könnten im Zentrum stehen.“ Die Anti-Aging- (oder auch: Forever Young-) Medizin ist also auf dem Vormarsch. Und hier könnte die Medizin künftig therapeutisch ansetzen (eine Auswahl):


  • Die Balance im Darm-Mikrobiom verbessern! Die Zusammensetzung der Bakterien-WG scheint entscheidend für gesunde Langlebigkeit zu sein. Mögliche Strategie: Krankmacher wie toxin-bildende Erreger gezielt bekämpfen und eine übermäßige Besiedlung im Verdauungstrakt z.B. mit Streptokokken (gelten als Alterungs-Turbo) durch das gezielte „Anfüttern“ nützlicher Mikroben wie Bifido-Bakterien verhindern.

  • Anti-entzündlich essen! Unsere adaptive Anti-Tumor-Immunantwort wird stark von einer pro- oder anti-entzündlichen Ernährung beeinflusst. Nach derzeitigen Erkenntnissen enthält eine entzündungshemmende Kost viele Antioxidantien, Omega-3-Fettsäuren, Kräuter, Gewürze und fermentierte Lebensmittel (z.B. Kimchi).

  • Weniger „dAGES“ essen (Dietary Advanced Glycation End Products) und verzuckerte Proteine im Körper vermeiden! Sie entstehen etwa durch eine zu hohe Zufuhr von „schnellen“ Kohlenhydraten (z.B. Weißbrot, Fruktose-Glukose-Sirup) oder durch stark verarbeitete Lebensmittel. Zu viel davon kann Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Osteoporose, Sarkopenie (altersbedingter Muskelabbau) und Bluthochdruck fördern.

  • Die Funktion müde gewordener Phagozyten, zu denen auch Makrophagen zählen, wiederherstellen! Das sind Fresszellen des Immunsystems, die beschädigte, abgestorbene oder mutierte Zellen sowie Krankheitserreger direkt verspeisen und zerstören. Klingt illusorisch? Ist es nicht! Beispiel: Beta-Hydroxy-Buttersäure (BHB), wie sie etwa während einer ketogenen Diät in der Leber gebildet wird, kann das (laut Studien)! Offenbar auch Vitamin C. Je effektiver diese „Aufräum“-Zellen arbeiten, desto gesünder altern wir.

Mehr zum spannenden Thema: https://www.strunz.ch/ein-gesundes-mikrobiom-gegen-das-altern.html


Quellen:

Caldarelli M, Rio P, Marrone A, Giambra V, Gasbarrini A, Gambassi G, Cianci R. Inflammaging: The Next Challenge-Exploring the Role of Gut Microbiota, Environmental Factors, and Sex Differences. Biomedicines. 2024 Aug 1;12(8):1716. doi: 10.3390/biomedicines12081716. PMID: 39200181; PMCID: PMC11351301.

Fulop T, Larbi A, Pawelec G, Khalil A, Cohen AA, Hirokawa K, Witkowski JM, Franceschi C. Immunology of Aging: the Birth of Inflammaging. Clin Rev Allergy Immunol. 2023 Apr;64(2):109-122. doi: 10.1007/s12016-021-08899-6. Epub 2021 Sep 18. PMID: 34536213; PMCID: PMC8449217
Golonka RM, Xiao X, Abokor AA, Joe B, Vijay-Kumar M. Altered nutrient status reprograms host inflammation and metabolic health via gut microbiota. J Nutr Biochem. 2020 Jun;80:108360. doi: 10.1016/j.jnutbio.2020.108360. Epub 2020 Feb 22. PMID: 32163821; PMCID: PMC7242157.
Pence BD. Fanning the Flames of Inflammaging: Impact of Monocyte Metabolic Reprogramming. Immunometabolism. 2020;2(3):e200025. doi: 10.20900/immunometab20200025. Epub 2020 Jul 1. PMID: 32742735; PMCID: PMC7394315.
Mohammed BM, Fisher BJ, Huynh QK, Wijesinghe DS, Chalfant CE, Brophy DF, Fowler AA 3rd, Natarajan R. Resolution of sterile inflammation: role for vitamin C. Mediators Inflamm. 2014;2014:173403. doi: 10.1155/2014/173403. Epub 2014 Sep 9. PMID: 25294953; PMCID: PMC4175383.


Über die Autorin:


Marion Meiners ist ausgebildete Verlagskauffrau und Journalistin und arbeitete viele Jahre für Zeitschriften als Redakteurin für Gesundheit und Ernährung. Zusammen mit Labor-Professor Hans-Peter Seelig schrieb sie das Buch „Laborwerte klar und verständlich“.
Ihre Begeisterung für Medizinthemen entdeckte sie in frühen Berufsjahren, nachdem ihr eine Verwandte einen Pschyrembel schenkte. Seither heißt ihr digitales „Wohnzimmer“ PubMed und die Faszination für die Ursachen-Fahndung bei Krankheiten sowie die Effekte von Ernährung und Lebensstil auf die Gesundheit hält an.

Das sagt sie über ihre Tätigkeit:

„Alles hängt mit allem zusammen im Körper. Das ist leider in unserer „Schubladen“-Medizin noch nicht so ganz angekommen. Ein Nährstoffmangel kann etwa ebenso fatale Auswirkung auf alle Organsysteme haben wie z.B. ein kranker Zahn. Umgekehrt kann schon eine veränderte Zusammenstellung der Makro-oder Mikronährstoffe in der Ernährung gigantische therapeutische Effekte entfalten. Welche, und wie gut belegt diese sind – darüber möchte ich informieren.“