Wenn Sie statt der Tomate Ihren Finger angeritzt haben und sich die Schnittwunde anschließend schnell wieder schließt und ohne Infektion verheilt, war Ihre körpereigene Reparaturwerkstatt erfolgreich: Die Blutgerinnung. Blutplättchen (Thrombozyten) bilden einen Pfropfen als SOS-Wundverschluss und eine Kaskade von Proteinen (Gerinnungsfaktoren) stoppt die Blutung.

Was (fast) jeder weiß: Für eine gesunde Blutgerinnung ist Vitamin K1 (Phyllochinon, kommt z.B. in grünem Blattgemüse vor) wichtig. Es regt die Bildung und Aktivierung der Gerinnungsfaktoren in der Leber an. Weniger bekannt ist: Auch Vitamin B12 ist unötig für die Regulation der Blutgerinnung und für gesunde Thrombozyten.

Ein Mangel kann z.B. zu vermehrten Blutungen, blauen Flecken und paradoxerweise auch (indirekt) zu Thrombosen führen – und zur Produktion defekter Blutplättchen. Auch Schäden an den weißen und roten Blutkörperchen können entstehen; die Ausbildung einer gefährlichen „Hämolytische Anämie“ (TTP) – eine spezielle Blutarmut, bei der rote Blutkörperchen (Erythrozyten) beschleunigt abgebaut werden – kann eine der Folgen sein. Mit den verkannten dramatischen Folgen eines Vitamin B-Mangels befassen sich derzeit auch einige wissenschaftliche Publikationen.

So veröffentlichte ein Mediziner-Team der University of Minnesota und des Mayo Clinic Health Systems (eines Verbunds verschiedener mit der Mayo Clinic verbundenen Kliniken) im Fachjournal „Blood“ einen Review, in dem sie anhand von 43 publizierten Case Reports (53 Patienten mit Hämolytischer Anämie, und Vitamin B12-Mangel) überprüften, wie oft der B12-Mangel festgestellt und behandelt wurde. Ergebnis: Bei 28 von 53 Patienten lag ein Vitamin B12-Mangel infolge einer perniziösen Anämie – eine Aufnahmestörung des Vitamins durch einen Mangel des Transportproteins Intrinsic Factor“ - vor, bei den übrigen Patienten war der Mangel ernährungsbedingt oder durch Malabsorption nach Operationen entstanden. Eine Behandlung mit Vitamin B-Injektionen führte zur Besserung der Hämolyse in nur einer Woche.

Auch zwei jüngere Case Reports im peer-reviewten Journal „Cureus“ sowie im „Canadian Medical Association Journal“ zeigen auf, wie leicht die Folgen eines schweren Vitamin B12-Mangel als „pseudo-thrombotische Mikroangiopathie“ oder auch als Hämolytische Anämie“ verkannt und womöglich falsch behandelt werden können.

Wie wahrscheinlich ist ein Mangel? Vitamin B12 kommt hauptsächlich in tierischen Lebensmitteln vor; Veganer sind deshalb besonders gefährdet und müssen supplementieren. Aber auch Fleischesser, die z.B. an Gastritis oder an einem Mangel an Magensäure leiden, nehmen oft zu wenig davon auf, weil dann von den Magenzellen zu wenig Intrinsic Factor produziert wird. Dieses Glykoprotein ist zwingend nötig für die Aufnahme von Vitamin B12 über den Dünndarm ins Blut.

Rat: Vitamin B12 regelmäßig testen lassen. Zeigt sich erst eine Anämie, liegt oft schon ein gravierender Mangel vor – mit Risiken für weitere Erkrankungen. Mehr lesen: https://www.foryouehealth.de/gesund-leben-blog/vitamin-b12-mangel-die-verborgene-epidemie.html


Quellen:

https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0006497123118210
https://www.mayoclinic.org/diseases-conditions/thrombocytopenia/symptoms-causes/syc-20378293
https://www.canadianjournalofdiabetes.com/article/S1499-2671(23)00623-8/abstract
https://www.cmaj.ca/content/195/38/E1300
https://www.strunz.ch/warum-vitamin-b12-so-wichtig-ist.html?srsltid=AfmBOop7ze9yJbxS3EZBIpH5WZ


Über die Autorin:


Marion Meiners ist ausgebildete Verlagskauffrau und Journalistin und arbeitete viele Jahre für Zeitschriften als Redakteurin für Gesundheit und Ernährung. Zusammen mit Labor-Professor Hans-Peter Seelig schrieb sie das Buch „Laborwerte klar und verständlich“.
Ihre Begeisterung für Medizinthemen entdeckte sie in frühen Berufsjahren, nachdem ihr eine Verwandte einen Pschyrembel schenkte. Seither heißt ihr digitales „Wohnzimmer“ PubMed und die Faszination für die Ursachen-Fahndung bei Krankheiten sowie die Effekte von Ernährung und Lebensstil auf die Gesundheit hält an.

Das sagt sie über ihre Tätigkeit:

„Alles hängt mit allem zusammen im Körper. Das ist leider in unserer „Schubladen“-Medizin noch nicht so ganz angekommen. Ein Nährstoffmangel kann etwa ebenso fatale Auswirkung auf alle Organsysteme haben wie z.B. ein kranker Zahn. Umgekehrt kann schon eine veränderte Zusammenstellung der Makro-oder Mikronährstoffe in der Ernährung gigantische therapeutische Effekte entfalten. Welche, und wie gut belegt diese sind – darüber möchte ich informieren.“


Das Bild zeigt ein Porträt der News-Autorin Marion Meiners.