Viele kennen Histamin als Botenstoff, der bei Allergien eine Rolle spielt. Doch kaum jemand weiß, wie stark Histamin auch den weiblichen Hormonhaushalt beeinflusst, und zwar vor allem in Lebensphasen, in denen hormonelle Balance besonders wichtig ist: während der Kinderwunschzeit, in der Frühschwangerschaft und in der Perimenopause.

Die Einnistung einer befruchteten Eizelle ist ein komplexer Prozess, bei dem verschiedene Hormone und Botenstoffe zusammenwirken. Auch Histamin spielt hierbei eine Rolle, vor allem weil es an der Durchblutung, Gefäßneubildung und Immunregulation während der Einnistung beteiligt ist. Entscheidend ist jedoch weniger die genaue Menge an Histamin, sondern dass das hormonelle Gleichgewicht insgesamt gut funktioniert. Östradiol steht dabei in enger Verbindung mit Histamin: Es kann Mastzellen zur Histaminfreisetzung anregen, und umgekehrt verstärkt Histamin die Wirkung von Östradiol auf das Gewebe. Beide fördern somit Prozesse, die für eine erfolgreiche Einnistung wichtig sind. Wichtig ist daher vor allem ein gut abgestimmtes Zusammenspiel zwischen Hormonen und Immunsystem.

Nach dem Eisprung steigt normalerweise der Progesteronspiegel an. Progesteron stabilisiert die Gebärmutterschleimhaut und unterstützt Einnistung und frühe Schwangerschaft. Gleichzeitig hemmt es die Freisetzung von Histamin. Umgekehrt kann ein erhöhter Histaminspiegel die Progesteronproduktion beeinträchtigen. Führt dies zu einem Progesteronmangel, wird die Gebärmutterschleimhaut nicht ausreichend vorbereitet, was die Einnistung erschweren und frühe Abgänge begünstigen kann. Ein ausgewogener Histamin- und Hormonhaushalt ist daher vor und zu Beginn einer Schwangerschaft besonders wichtig.

Sobald eine Frau schwanger wird, zeigt der Körper eine beeindruckende Anpassung:
Das Enzym DAO (Diaminoxidase) als essenzielles Abbauenzym im Darm und in der Niere schießt im Laufe der Schwangerschaft deutlich in die Höhe. Häufig steigt die Aktivität am Ende des 1. Trimenon auf das 10- bis 100-fache.
Viele Frauen mit Histaminproblemen, die vor der Schwangerschaft nur niedrige DAO-Werte hatten, berichten von plötzlichen Werten über 200 U/ml.
Der Körper sorgt aktiv dafür, überschüssiges Histamin effektiv abzubauen zum Schutz des Embryos und zur Stabilisierung der Schwangerschaft.

Durch die extreme DAO-Aktivität erleben viele Betroffene eine deutliche Linderung ihrer üblichen Symptome, wie z. B. Hautausschläge oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Dennoch können auch in der Schwangerschaft Ernährung, Stress oder Medikamente weiterhin Einfluss auf die Histaminbalance nehmen. Ganz „geschützt“ ist der Körper also nicht vor einem Histaminungleichgewicht, aber er ist in dieser Zeit deutlich belastbarer.

In den Wechseljahren bemerken viele Frauen, dass Beschwerden wie Hitzegefühle, Schlafstörungen, Herzrasen, Migräne, Verdauungsprobleme oder Hautreaktionen zunehmen. Ein Grund, der häufig übersehen wird: Veränderungen in der Histaminbalance.

In der Perimenopause sinkt der Hormonspiegel nicht gleichmäßig; vielmehr kommt es zu starken Schwankungen: Östradiol kann sprunghaft ansteigen, während Progesteron deutlich früher und stärker abfällt. Gerade dieser Progesteronabfall ist entscheidend, denn Progesteron wirkt von Natur aus mastzellstabilisierend, also beruhigend auf die Zellen, die Histamin ausschütten. Wenn Progesteron fehlt, reagieren Mastzellen empfindlicher, sie setzen leichter und häufiger Histamin frei.

Gleichzeitig führt der unregelmäßige und oft phasenweise sehr hohe Östradiolspiegel dazu, dass Mastzellen zusätzlich aktiviert werden.

Dazu kommt, dass mit zunehmendem Alter häufig der DAO-Spiegel – das Enzym, das Histamin im Darm und an der Niere abbaut – reduziert ist. Gründe dafür können chronische Entzündungen der Darmschleimhaut, Veränderungen des Mikrobioms mit hohem Anteil von histaminbildenden Bakterien, Mikronährstoffmängel (Kupfer!), Stress, Alkohol oder Medikamenteneinflüsse sein.

Das Ergebnis ist eine Situation, die viele Frauen erst in dieser Lebensphase bemerken: Mehr Histamin wird freigesetzt, während oftmals weniger Stabilität durch Progesteron und Abbaukapazität durch DAO vorhanden sind.

Die Kombination aus


  • weniger Progesteron,
  • schwankender oder überhöhter Östradiolausschüttung
  • stärker reagierenden Mastzellen und
  • vermindertem Histaminabbau

macht die Perimenopause und frühe Postmenopause zu einer Phase, in der histaminverbundene Beschwerden besonders häufig auftreten oder sich verstärken.

Der weibliche Körper funktioniert wie ein fein abgestimmtes Orchester. Hormone, Neurotransmitter und Immunbotenstoffe greifen ineinander und beeinflussen sich immer gegenseitig.


Quelle:
Duelo A, Sánchez-Pérez S, Pellicer-Roca S, Sánchez-Buxens S, Comas-Basté O, Latorre-Moratalla ML, Vidal-Carou MC. Improvement of Histamine Intolerance Symptoms in Pregnant Women with Diamine Oxidase Deficiency: An Exploratory Study. J Clin Med. 2025 Jun 27;14(13):4573. doi: 10.3390/jcm14134573. PMID: 40648942; PMCID: PMC12249752.

Zierau O, Zenclussen AC, Jensen F. Role of female sex hormones, estradiol and progesterone, in mast cell behavior. Front Immunol. 2012 Jun 19;3:169. doi: 10.3389/fimmu.2012.00169. PMID: 22723800; PMCID: PMC3377947.



Über die Autorin:


"Kyra Kauffmann, Jahrgang 1971, Mutter zweier kleiner Söhne, Volkswirtin, seit 20 Jahren niedergelassene Heilpraktikerin, Buchautorin, Dozentin, Journalistin und seit 3 Jahren begeisterte Medizinstudentin.

Zur Medizin kam ich durch meine eigene schwere Erkrankung mit Anfang 30, bei der mir seinerzeit kein Arzt wirklich helfen konnte. („Ihre Werte sind alle super – es ist alles rein psychisch!“). Hilfe bekam ich von Heilpraktikern, die zunächst einmal eine wirklich gründliche Labordiagnostik durchgeführt haben, ganz nach dem Vorbild von Dr. Ulrich Strunz. Es war eine neue Welt, die sich mir eröffnete und die Erkenntnisse, haben mich sofort fasziniert (ohnehin bin ich ein Zahlen-Daten-Fakten-Fan und habe nicht umsonst das Studium der VWL gewählt). Die Begeisterung war so groß, dass ich meinen alten Beruf an den Nagel hängte und Heilpraktikerin wurde. Meine Praxis führe ich seit 20 Jahren mit großer Begeisterung und bin – natürlich - auf Labordiagnostik spezialisiert und kann so oft vielen Symptomen auf den Grund gehen. In 2 Jahren hoffentlich dann auch als Ärztin.


Das Bild zeigt ein Porträt der News-Autorin Kyra Kauffmann.