Kennen Sie das auch? Man freut sich auf den Urlaub, sitzt endlich im Auto, Zug, Flugzeug oder auf dem Schiff – und plötzlich wird einem flau im Magen. Der Kopf schwirrt, die Übelkeit meldet sich und man fragt sich: Warum passiert das ausgerechnet mir?

Schon seit meiner Kindheit begleitet mich dieses lästige Phänomen – rückwärts im Zug zu sitzen, ist für mich unmöglich. Und wie es scheint, hat mein ältester Sohn dieses "Talent" direkt von mir übernommen.

Woher kommt das?

Eine oft übersehene Antwort auf diese Frage lautet: Es hängt mit einem gestörten Histaminabbau zusammen.

Histamin ist ein biogenes Amin, ein körpereigener Botenstoff mit vielen Aufgaben. Es spielt mit in der Welt der:


  • Allergischen Reaktionen – hier ist Histamin der berüchtigte Auslöser für juckende Haut, laufende Nasen und tränende Augen.
  • Magensäureproduktion – es hilft bei der Verdauung.
  • Nervenfunktionen – besonders im Gehirn ist es wichtig für Konzentration, Erwachsen und Gedächtnis
  • Immunabwehr – er koordiniert die Abwehrkräfte des Körpers

Unser Körper produziert Histamin selbst, nimmt es aber auch über die Nahrung auf. Besonders viel steckt z. B. in Rotwein, lange gereiftem Käse und Dosenfisch.

Wie der bekannte Wiener Professor Dr. Reinhard Jarisch, einer der renommiertesten Histaminforscher Europas, betont, ist es entscheidend, wie gut unser Körper mit Histamin umgehen kann. Dafür zuständig ist vorwiegend das Enzym Diaminoxidase (DAO) – gewissermaßen der Staubsauger für überschüssiges Histamin im Körper.

Kommt jedoch zu viel Histamin zusammen oder funktioniert die DAO nicht gut genug, entsteht eine Histaminintoleranz. Das kann sich durch die unterschiedlichsten Symptome äußern – von Hautausschlag bis Herzrasen, von Kopfschmerzen bis eben: Reiseübelkeit.

Als passionierter Segler litt Professor Jarisch selbst über Jahre hinweg unter starker Reiseübelkeit, wie er mir einmal berichtete. Seine persönliche Betroffenheit war der Anstoß für seine Forschung – und führte schließlich zur Aufklärung der tatsächlichen Ursachen dieses Phänomens.

Jarisch konnte klären, dass Histamin eine ganz besondere Wirkung im zentralen Nervensystem hat: Es wirkt auf Rezeptoren, die an der Gleichgewichtsregulation beteiligt sind. Und genau hier beginnt das Drama der Kinetose – der Reisekrankheit.

Stellen Sie sich vor, Ihre Augen melden „Wir sitzen ruhig!“, dein Gleichgewichtsorgan im Innenohr funkt „Wir bewegen uns heftig!“ – und dein Gehirn ist überfordert. Es reagiert mit einer vegetativen Überreaktion: Schwindel, Übelkeit, Erbrechen – so läuft Kinetose ab.

Histamin spielt in diesem Chaos die Rolle des Verstärkers: Es aktiviert das Brechzentrum im Hirnstamm, besonders über die sogenannten H1-Rezeptoren. Wenn ohnehin schon alles schwankt und sich dreht, kippt Histamin bildlich gesprochen noch einen Eimer Wasser ins Boot.

Zum Glück gibt es Möglichkeiten, der histaminbedingten Reiseübelkeit einen Strich durch die Rechnung zu machen.


  • Histaminarme Ernährung: Schon 24–48 Stunden vor Reisebeginn sollte man möglichst auf histaminreiche oder -freisetzende Lebensmittel verzichten.
  • DAO-Enzympräparate: Sie helfen dem Körper beim Abbau von Histamin und sind vor allem vor problematischen Mahlzeiten sinnvoll.
  • Professor Jarisch erwähnte vor allem Vitamin C in Zusammenhang mit seiner Theorie, dass Histamin eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Reiseübelkeit spielt. Vitamin C wirkt als natürlicher Histaminabbauer im Körper. Es kann daher präventiv helfen, die Empfindlichkeit gegenüber histaminvermittelten Reaktionen (wie Übelkeit oder Schwindel) zu senken. In der Praxis wird manchmal empfohlen, Vitamin C vor der Reise einzunehmen – z. B. 500 mg etwa eine halbe Stunde vorher und weiterhin während der Reise.
  • Darauf hinaus empfiehlt er das Kaugummikauen. Dieses regt die Speichelproduktion an und kann dadurch den pH-Wert im Mund und Magen stabilisieren, was Übelkeit etwas dämpfen kann. Zudem fördert die rhythmische Kaubewegung das Gleichgewichtssystem (ähnlich wie bei "Kaugummi gegen Ohrendruck beim Fliegen").

Sowohl Vitamin C als auch das Kaugummikauen gelten laut Jarisch als unterstützende Maßnahmen gegen Reiseübelkeit, insbesondere wenn sie rechtzeitig vor oder zu Beginn der Reise eingesetzt werden. Sie ersetzen aber keine stärkeren Mittel, falls die Symptome sehr ausgeprägt sind. Dann sind Antihistaminika (H1-Blocker) hilfreich: Medikamente wie Dimenhydrinat (z. B. Vomex A ®) wirken doppelt – gegen Übelkeit und gegen Histamin.

Mit diesen Tipps lässt sich der nächste Urlaub hoffentlich endlich ohne Übelkeit genießen – und mit einem guten Gefühl im Bauch.


Quellen:

Jarisch, Reinhart: Histaminintoleranz: Histamin und Seekrankheit“, Thieme Verlag Stuttgart 2004

Koch A, Cascorbi I, Westhofen M, Dafotakis M, Klapa S, Kuhtz-Buschbeck JP. The Neurophysiology and Treatment of Motion Sickness. Dtsch Arztebl Int. 2018 Oct 12;115(41):687-696. doi: 10.3238/arztebl.2018.0687. PMID: 30406755; PMCID: PMC6241144.


Karrim N, Byrne R, Magula N, Saman Y. Antihistamines for motion sickness. Cochrane Database Syst Rev. 2022 Oct 17;10(10):CD012715. doi: 10.1002/14651858.CD012715.pub2. PMID: 36250781; PMCID: PMC9575651.



Über die Autorin:


"Kyra Kauffmann, Jahrgang 1971, Mutter zweier kleiner Söhne, Volkswirtin, seit 20 Jahren niedergelassene Heilpraktikerin, Buchautorin, Dozentin, Journalistin und seit 3 Jahren begeisterte Medizinstudentin.

Zur Medizin kam ich durch meine eigene schwere Erkrankung mit Anfang 30, bei der mir seinerzeit kein Arzt wirklich helfen konnte. („Ihre Werte sind alle super – es ist alles rein psychisch!“). Hilfe bekam ich von Heilpraktikern, die zunächst einmal eine wirklich gründliche Labordiagnostik durchgeführt haben, ganz nach dem Vorbild von Dr. Ulrich Strunz. Es war eine neue Welt, die sich mir eröffnete und die Erkenntnisse, haben mich sofort fasziniert (ohnehin bin ich ein Zahlen-Daten-Fakten-Fan und habe nicht umsonst das Studium der VWL gewählt). Die Begeisterung war so groß, dass ich meinen alten Beruf an den Nagel hängte und Heilpraktikerin wurde. Meine Praxis führe ich seit 20 Jahren mit großer Begeisterung und bin – natürlich - auf Labordiagnostik spezialisiert und kann so oft vielen Symptomen auf den Grund gehen. In 2 Jahren hoffentlich dann auch als Ärztin.