Wir alle kennen das Gefühl, wenn wir in entscheidenden Momenten trotz guter Vorbereitung versagen – das sogenannte „Choking under Pressure“. In meinem letzten Artikel habe ich erklärt, wie der präfrontale Cortex dabei eine Schlüsselrolle spielt und warum Kinder in diesen Momenten oft unbefangener handeln als Erwachsene. Heute möchte ich anhand des Quiet-Eye-Trainings zeigen, mit welchen konkreten Techniken wir diese Leichtigkeit wiedererlangen, um Leistungsabfall vorzubeugen und unsere Stärken auch unter Druck voll abrufen zu können.

Der Ursprung dieses Konzeptes liegt in den Präzisionssportarten. Es wurde erforscht, mit welchen Routinen z.B. Golfer, Fußballer oder Basketballer in Drucksituationen die höchste Trefferrate erzielen. Die Ergebnisse sind eindeutig: Das Quiet-Eye-Training (quiet eye=ruhiges Auge) fördert eine effektivere Blickkontrolle, stärkere Herzratenverlangsamung, reduzierte Muskelaktivität und somit leistungsfähigere Performance. (1)

Das Prinzip ist allerdings nicht an bestimmte Sportgeräte gebunden, sondern an den Mechanismus, vor einer kritischen Handlung einen fokussierten, stabilen Blick auf das Wesentliche zu etablieren. Es braucht lediglich ein wenig Übung. Der Ablauf kann an die jeweilige Spannungssituation angepasst, sollte aber nicht grob verändert werden:


  • Nimm deine Umgebung bewusst wahr.
    • Aufrechte Haltung, eine Minute Fokus auf die Gesamtsituation (Raum, Personen, Temperatur, Licht…)
    • Abschließend drei ruhige Atemzyklen
  • Wähle einen Fixpunkt für dein Auge.
    • Suche einen Fixpunkt für das Auge, welchen du für maximal 2-3 Sekunden fokussierst
  • Fixiere diesen Punkt.
    • Einen ruhigen Atemzug durchführen
    • Danach sofort mit der Aktion beginnen (Dabei geht es darum, die Handlung aus dem Fokus heraus zu beginnen.)

Diese Routine sollte über mindestens zwei Wochen 4-5x/Woche trainiert werden, bevor sie in Drucksituation sicher angewandt werden kann. So versteht der Ausführende, worauf er seine Aufmerksamkeit während der Bewegungsausführung richten sollte. Die Effizienz der Informationsverarbeitung steigt und irrelevante Reize können ausgeblendet werden. Es verleiht dem Anwender ein besseres subjektives Gefühl der Kontrolle, was zur positiven unterbewussten kognitiven Bewertung führt und damit den Umgang mit der Angst vor dem Scheitern besser reguliert. (2)

Wenn mir die Gedanken im Call-Room vor einem großen Wettkampf nur so durch den Kopf schießen und ich spüre, wie sich die Nervosität vor dem Einmarsch auf die Startbrücke langsam ausbreitet, dann versuche ich genau das – ich fokussiere meinen Blick auf einen beliebigen Gegenstand, bevor mein Name ertönt und ich aus diesem Fokus heraus den Wettkampfraum betrete. Durch jahrelange Übung trete ich zu diesem Zeitpunkt in einen Zustand über, den man als Flow bezeichnet. Es ist der Zustand völliger Vertiefung und Konzentration. Ich denke nichtmehr über das Bevorstehende nach, ich lasse es geschehen und vergesse alles rundherum. Wo mich Minuten zuvor noch Zweifel und Ängste plagten, breitet sich nun ein tiefes inneres Vertrauen aus - Showtime!

WM 2024

Das Bild zeigt den Finswimmer Justus Mörstedt bei der WM 2024


Implementieren Sie diese einfache Anwendung in Ihren Alltag und erlangen Sie Kontrolle über Druck- und Angstsituationen. Ob im Sport, vor der Prüfung, vorm Bewerbungsgespräch oder Vortrag – Sie werden das abrufen können, was Sie schon immer beherrschen. Der externe Blickfokus beruhigt das Nervensystem, senkt unsere Herzfrequenz sowie Muskelspannung und hilft so, auch in Stresssituationen die optimale Leistung abzurufen.

Meine ersten Erfahrungen mit Quiet-Eye-Training habe ich übrigens beim Tragen einer randvollen Kaffeetasse gemacht – eine durchaus effektive Kombination, um den Morgen fokussiert zu beginnen. Falls das alles nichts für Sie sein sollte, werfen Sie einen Blick in die nächste News, wenn wir uns die Atmung genauer anschauen.

(1) Moore LJ, Vine SJ, Cooke A, Ring C, Wilson MR. Quiet eye training expedites motor learning and aids performance under heightened anxiety: the roles of response programming and external attention. Psychophysiology. 2012 Jul;49(7):1005-15. doi: 10.1111/j.1469-8986.2012.01379.x. Epub 2012 May 7. PMID: 22564009.

(2) He, Q., Liu, Y. & Yang, Y. The effect of quiet eye training on golf putting performance in pressure situation. Sci Rep 14, 5182 (2024). https://doi.org/10.1038/s41598-024-55716-z



Über den Autor:


“Justus Mörstedt widmete sich bis zu seinem 14. Lebensjahr in seiner Freizeit dem Triathlon, bevor er sich endgültig auf sein Lieblingselement, das Wasser, fokussierte und Finswimmer wurde. Seit 2019 ist er Sportsoldat und studiert und trainiert im Leistungszentrum Leipzig.

Doch lassen wir ihn selbst zu Wort kommen: „Hier lebe ich meinen Traum: Leistungssport und Medizinstudium. Mich fasziniert es, das neu Erlernte im Sportleralltag in die Praxis umzusetzen und somit den oft trockenen Inhalten ein wenig Leben einzuhauchen.“

Diese Kombination macht sich bezahlt: im Juli 2024 wurde er zweifach Weltmeister. Über 200 m Streckentauchen hält er den Weltrekord. Falls Sie neugierig geworden sind, was Finswimming ist, sehen Sie sich in den News um, oder werfen eine beliebige Suchmaschine an!

Forever young wurde ihm mit seinem Einstieg in den Profisport sozusagen „in die Wiege gelegt“. Sein Trainer sagte immer: „Wer hier mitmachen will, muss mindestens ein Strunz-Buch gelesen haben.“ Zu Wettkämpfen verteilte er den Sportlern immer Vitamineral 32. Mit den Jahren in Leipzig hat sich in seinem 23 Jahre jungem Kopf so einiges zusammengesammelt, was er gerne mit Sportlerkollegen unter anderem hier in den News teilt. Dabei unterstützen wir als forever young ihn als Sponsor."


Das Bild zeigt ein Porträt des News-Autors und Finschwimmers Justus Mörstedt.